Tempo 30: Geschwindigkeitsreduktion verordnen
Tempo 30 erhöht die Sicherheit, senkt Lärm und Emissionen und fördert die Aktive Mobilität. Gemeinden können Geschwindigkeitsreduktionen in ihrem Wirkungsbereich für Straßenzüge, das Ortsgebiet oder sensible Bereiche wie Schulen und Krankenhäuser beschließen. So entstehen lebenswerte und nachhaltige Orte.
Mehr Sicherheit durch weniger Tempo
Straßen sicher zu gestalten bedeutet, Verkehr für alle Menschen verträglicher und berechenbarer zu machen. Gemeinden können innerhalb von Ortsgebieten die Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometer reduzieren – häufig auf Tempo 30. Besonders in schutzbedürftigen Bereichen wie Schulen, Kindergärten oder Krankenhäusern wurde das Verfahren durch die 35. Novelle der Straßenverkehrsordnung deutlich vereinfacht. Dort entfällt der bisher hohe Verwaltungsaufwand und die Sicherheit für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen steigt spürbar.
Tempo 30 auf einzelnen Straßen und Zonen verordnen
Innerhalb von Ortsgebieten gilt grundsätzlich eine Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern. Gemeinden haben jedoch die Möglichkeit, diese Geschwindigkeit zu reduzieren – häufig auf Tempo 30, auch Tempo 40 und Tempo 20 sind allerdings möglich.
Schutzbedürftige Bereiche: Verordnung nach § 43 Abs. 4a StVO
Mit der jüngsten Novelle wurde das Verfahren zur Einführung solcher Geschwindigkeitsbeschränkungen vor Bereichen wie Schulen und Krankenhäusern deutlich vereinfacht. Zwar war eine Verordnung auch zuvor möglich, sie war jedoch mit höherem Verwaltungsaufwand und zusätzlichen Kosten verbunden. Mit der aktuellen Regelung entfallen die Nachweise einer Gefahr und kostenaufwendige Gutachten in schutzbedürftigen Bereichen.
Die örtlich zuständige Straßenverkehrsbehörde kann die zulässige Höchstgeschwindigkeit in „besonders schutzwürdigen Bereichen“, wie beispielsweise Schulen, Kindergärten, Freizeiteinrichtungen, Krankenhäusern oder auch Senioreneinrichtungen herabsetzen. In der Straßenverkehrsordnung werden diese Einrichtungen nur beispielhaft genannt, allerdings werden auch andere Bereiche mit einem vergleichbaren Schutzbedürfnis berücksichtigt. Voraussetzung ist, dass die Maßnahme die Verkehrssicherheit erhöht, insbesondere für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen.
Wie groß dieser Bereich sein sollte, wird im Gesetzestext nicht näher ausgeführt. Für das Schulumfeld empfiehlt sich jedoch die Anwendung der RVS 03.04.14 „Gestaltung des Schulumfelds“. Als Schulumfeld werden die öffentlichen Flächen im Umkreis von 250 Metern (mindestens jedoch 60 Meter) zum Schuleingang definiert.
Gut zu wissen: Die Anleitung des Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) unterstützt Gemeinden bei der Umsetzung. Sie finden dort auch ein Verordnungsmuster zur eigenen Verwendung! Geschwindigkeitsreduktion in schutzbedürftigen Bereichen. Leitfaden für Gemeinden
Straßenzüge und Gebiete: Verordnung nach § 43 Abs. 1 StVO
Liegt keine schutzbedürftige Zone vor, können Gemeinden eine Geschwindigkeitsreduktion für einzelne Straßen, Strecken oder Gebiete verordnen. Bei einer Verordnung nach § 43 StVO ist ein Gutachten notwendig, das die örtliche Lage mit vergleichbaren Straßen und deren Gefahrenpotenzial abgleicht.
Tempo 30 im gesamten Ortsgebiet verordnen
Die Straßenverkehrsordnung sieht auch die Möglichkeit vor, eine Geschwindigkeitsreduktion für das gesamte Ortsgebiet zu erlassen (§ 20 Abs. 2a StVO). Dafür reicht ein Gemeinderatsbeschluss mit einfacher Mehrheit. Voraussetzung dafür ist der Nachweis, dass diese Maßnahme nach dem Stand der Wissenschaft entweder zur Erhöhung der Verkehrssicherheit oder zur Verringerung von Belästigungen wie Lärm, Geruch-, oder Schadstoffemissionen geeignet erscheint. Einzelne Straßenabschnitte (z.B. Vorrangstraßen und Landesstraßen) können von der Verordnung ausgenommen werden.
Die zuständige Behörde ist auf Gemeindestraßen die Gemeinde „im eigenen Wirkungsbereich“. Auf Landesstraßen erfolgt die Verordnung durch die Bezirkshauptmannschaft. Als Grundlage der Verordnung ist eine wissenschaftlich fundierte Prüfung der örtlichen und verkehrsmäßigen Gegebenheiten erforderlich (Verkehrszählungen, Geschwindigkeitsmessungen, Unfallanalyse, etc.).
Ablauf:
Grundsatzbeschluss in der Gemeinde über das Vorhaben
Wissenschaftlich fundierte Prüfung (z.B. Fachgutachten)
Gemeinderatsbeschluss zur Umsetzung und Verordnung; Übermittlung an die Gemeindeaufsicht (Landesabteilung)
- Kundmachung der Verordnung durch Anbringung der Verkehrszeichen
Wichtig: Dokumentieren Sie den Zeitpunkt der Anbringung in einem Aktenvermerk.
Gut zu wissen: Die Radlobby hat eine Beispielsammlung mit über 300 Tempo-30-Gemeinden veröffentlicht.
Überwachung der Temporeduktion
Zur Überwachung und Einhaltung des Tempolimits wurde auch die Regelung für punktuelle Geschwindigkeitsmessungen auf Gemeindestraßen mit der 35. Reform der StVO erleichtert. Gemeinden und Städte können nun selbst Radarkontrollen durchführen. Voraussetzung dafür ist eine Übertragungsverordnung des Landes, in der Bedingungen für die Tempoüberwachung festgelegt werden. Ein eigener Gemeindewachkörper, wie bisher geregelt, ist dafür nicht mehr notwendig. Grund für eine Radarüberwachung kann beispielsweise ein erhöhtes Unfallgeschehen oder der Schutz schwacher Verkehrsteilnehmender sein.
Was bringt Tempo 30 der Sicherheit wirklich?
Eine flächendeckende Temporeduktion auf 30 km/h hat viele Vorteile. Ein wichtiger Aspekt ist die Erhöhung der Verkehrssicherheit. Der Anhalteweg wird von 27 Meter auf 13 Meter reduziert und damit sinkt auch das Kollisionsrisiko. Die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls sinkt von 30 auf unter 10 Prozent, wenn das Tempo von 50 auf 30 reduziert wird.
Webinartipp! Im Rahmen der EUROPÄISCHEN MOBILITÄTSWOCHE 2023 wurde das Webinar zum Thema „Tempo 30 im Ortsgebiet und Chancen für die Mobilitätswende“ aufgenommen. Barbara Laa, Verkehrswissenschafterin an der TU Wien, gab einen allgemeinen Input zum Thema. Martin Reis vom Energieinstituts Vorarlberg teilte die Erfahrungen aus der Gemeinde Wolfurt und ihren Übergang zu flächendeckenden Tempo 30 Zonen - auch auf der Landesstraße!
Schnelle Maßnahme zur Lärmeindämmung
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Lärmbelastung im Ortsgebiet. Die Hauptlärmquelle in Österreich ist der Verkehr. Die Reduktion von Tempo 50 auf Tempo 30 ist eine gute Maßnahme, um dem entgegenzuwirken. Betroffene nehmen eine Reduktion als Halbierung des Verkehrs wahr. Und positiver Nebeneffekt: ein verbesserter Verkehrsfluss, da weniger Brems- und Beschleunigungsvorgänge den Verkehrslärm zusätzlich minimieren.
Umsetzungshinweis: Begleitmaßnahmen setzen
Eine Temporeduktion funktioniert am besten, wenn sie durch weitere verkehrsberuhigende Maßnahmen ergänzt wird. Zielführende und kostengünstige Maßnahmen können die optische Gestaltung des Verkehrsraumes durch Markierungen oder Pflanztröge sein. Auch eine Anpassung der Vorrangregelungen und eine soziale Kontrolle durch flexible Geschwindigkeitsanzeigen sind denkbar. Sollten bauliche Maßnahmen notwendig sein, kann Sie das Förderangebot von klimaaktiv mobil bei der Umsetzung finanziell unterstützen – wir beraten Sie gerne persönlich!