
Abbiegen bei Rot: Mehr Sicherheit für Radfahrende
Das Abbiegen an Ampelkreuzungen stellt für Radfahrende eine erhebliche Gefahrenquelle dar, selbst bei mäßigem Verkehrsaufkommen. In der französischen Stadt Lyon wurde eine innovative Maßnahme eingeführt, die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint: das Linksabbiegen bei Rot.

Besserer Verkehrsfluss, weniger Unfälle
Eine im Juni 2023 durchgeführte Studie des CEREMA kommt zu dem Schluss, dass das bedingte Überfahren roter Ampeln durch Radfahrer:innen den Radverkehr flüssiger macht. Dabei wird die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigt - im Gegenteil.
Das System der französischen Stadt mag auf den ersten Blick schwer verständlich und sogar widersprüchlich erscheinen. Warum das Abbiegen bei Rot die Sicherheit von Radfahrenden erhöhen kann, zeigt die Untersuchung von CEREMA: Als größte potenzielle Gefahrenquelle für Radfahrende werden tote Winkel von Kraftfahrzeugen und das Ausscheren von Radfahrenden genannt. Ein „Frühstart“ bei Rot kann das Gefahrenpotenzial mindern.
CEREMA ist eine französische öffentliche Einrichtung, die technisches Fachwissen, Forschung und Unterstützung für öffentliche Maßnahmen in den Bereichen Mobilität, Flächennutzungsplanung und Umwelt bietet.
In einigen Städten ist das Rechtsabbiegen bei Rot bereits möglich. Auch in Österreich, insbesondere in Wien, wurde diese Regelung bereits flächendeckend etabliert und im Jahr 2023 in Form einer neuen Novelle zur Straßenverkehrsordnung (StVO) festgelegt. Lyon erweitert die Regelung des Rechtsabbiegens bei Rot und erlaubt zusätzlich das Linksabbiegen sowie das Abbiegen an komplexen Kreuzungen.
So funktioniert's!
Ampelkreuzungen, an denen das Abbiegen nach links und/oder rechts erlaubt ist, sind durch spezifische Verkehrszeichen oder Zusatzlichter an den Ampelkreuzungen gekennzeichnet. Diese zeigen an, in welche Richtung das Abbiegen bei Rot erlaubt ist. In jedem Fall müssen Radfahrende anhalten. Querenden Fußgänger:innen muss immer Vorrang gegeben werden. Beim Linksabbiegen ist zudem darauf zu achten, dass auch der Gegenverkehr die Kreuzung passieren kann.
Mangelnde Kommunikation
CEREMA hat auch untersucht, inwieweit das neue Recht angewendet wird: Fahrradfahrer:innen nutzen die Fahrerlaubnis bei Rot noch kaum. CEREMA vermutet, dass bisher nur diejenigen bei Rot abbiegen, die bereits vor Einführung der Regelung das Rotlicht missachtet und gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen haben. Die Wahrnehmung, Erkennbarkeit und Verständlichkeit der Beschilderung durch die Verkehrsteilnehmer:innen müsse laut Studie deutlich verbessert werden. Durch Kommunikation und Aufklärung der Radfahrer:innen im Hinblick auf das Verständnis dieser Signale kann die Nutzung verbessert werden.
Ein Blick nach Österreich
Auch in Österreich, insbesondere in Wien, ist das Abbiegen bei Rot bereits vielerorts möglich. Wer bei Rot an eine entsprechend gekennzeichnete Ampel kommt, darf nach vorherigem Anhalten rechts abbiegen. Eine Umfrage des ÖAMTC zum Rechtsabbiegen bei Rot zeigt Nachholbedarf. Nur 12 Prozent der Personen, die sich in einer solchen Situation befanden, nutzten die Möglichkeit des Rechtsabbiegens und verhielten sich auch tatsächlich entsprechend der Straßenverkehrsordnung. Das Rechtsabbiegen bei Rot wird aufgrund mangelnder Kenntnis der genauen Regelungen wenig genutzt. Damit bleibt ein erhebliches Potenzial zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und des Verkehrsflusses ungenutzt.